NEWSTERROIR TEIL-5: Die Umfrage

TERROIR TEIL-5: Die Umfrage

Zitat Rakhshan Zhouleh: „Terroir ist wie ein Stück Musik von einem Komponisten, der die Musikliebhaber erreicht und begeistert. Diese Wirkung ist mehr als ein Name: ein einmaliges sensorisches Gefühl, das mit Authentizität und Wiedererkennbarkeit verbunden ist.”


DEUTSCHLAND (Würzburg) – Zur Vorbereitung einer Degustation deutscher Weißweine im Hinblick auf die Fragestellung „Was ist ein terroirgeprägter Wein?“ wurde eine exklusive Umfrage bei bekannten Winzern, erfolgreichen Weinhändlern und renommierten Sommeliers durchgeführt. Die dabei gestellten Fragen lauteten (mit ausgewählten Antworten im Anschluss):


Die Teilnehmer der Umfragen in alphabetischer Reihenfolge:

  • Claus Burmeister, Betriebsleiter „Burg Ravensburg“ (Sulzfeld)
  • Nicolas Frauer, Kellermeister „Juliusspital“ (Würzburg)
  • René Gabriel, Buchautor und Weinkritiker, ehem. Leiter der „Académie du Vin“ (Eschenbach / Schweiz)
  • Joachim Heger, „Weingut Dr. Heger“ (Ihringen)
  • Peer F. Holm, Präsident Sommelier-Union, Inhaber „Wein & Wissen“ (Köln)
  • Stefan Lang, Winzer „Rotweine Lang“ (Neckenmarkt / Österreich)
  • Ernst F. Loosen, „Weingut Dr. Loosen“ (Bernkastel)
  • Rudolf May, „Weingut May“ (Retzstadt)
  • Bärbel Ring, Sommelière „Söl’Ring Hof“ (Rantum / Sylt)
  • Sebastian Schütz, Geschäftsführer Weinhandlung „rotweissrosé“ (Würzburg)
  • Maximilian Wilm, „Kinfelts Kitchen & Wein“ (Hamburg)
  • Andrea Wirsching, Geschäftsführerin „Hans Wirsching“ (Iphofen)
  • Rakhshan Zhouleh, mehrfach Sommelier des Jahres Deutschland (Salzburg)

Was verstehen Sie unter dem Begriff „Terroir“?

Claus Burmeister: „Das Thema ‚Terroir‘ steht für mich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ort, an dem die Reben wachsen. Wein soll die Magie eines Ortes an den Gaumen tragen.“

Nicolas Frauer: „Das Terroir, wie es von den Erfindern des Wortes, den Franzosen, zelebriert wird, beschreibt in meinen Augen den spezifischen Geschmack eines handwerklich erzeugten landwirtschaftlichen Produktes, das die Eigenschaften einer bestimmten, regionalen und stark eingegrenzten Herkunft und ihre Eigenheiten in Bezug auf Boden und Kleinklima, einer ganz besonderen Herstellungsweise und natürlich auch die Philosophie des Produzenten zeigt.“

Bärbel Ring: „Terroir ist das Zusammenspiel von Boden, Klima und Handschrift des Winzers.“

Sebastian Schütz: „Terroir ist die schmeckbare Herkunft des Weines.“

Maximilian Wilm: „Terroir ist für mich das große Ganze, was den Geschmack eines Weines beeinflusst: Boden, Lage, Handschrift des Winzers, Rebsorte, Ausbau, Klima.“

Andrea Wirsching: „Meiner Meinung nach gehört die Hand des Winzers nicht zum Terroir. Unter dem Begriff verstehe ich vor allem die Standort-Faktoren eines Weinbergs, die die späteren Weine prägen.“


Mit welchem deutschen Begriff ließe sich Ihrer Meinung nach „Terroir“ am besten wiedergeben?

René Gabriel: „Identität und Herkunft.“

Joachim Heger: „Terroir ist eine Wortschöpfung, die auch die emotionale Komponente des gesamten Weinmachens und Weinwerdens miteinbezieht. Für den Standort Kaiserstuhl wäre eine Analogie zu dem komplexen Begriff etwa die Bezeichnung ‚Das Werden des Weins vom Stein bis ins Glas‘.“

Stefan Lang: „Ähnlichkeiten mit Mikroklima.“

Ernst F. Loosen: „Meiner Meinung nach lässt sich der Begriff ‚Terroir‘ im Deutschen am besten mit ‚Lage‘ beschreiben.“


Wenn Sie mehrere Unterbegriffe als zum „Terroir“ zugehörig benannt haben: Sehen Sie eine bestimmte Gewichtung bei Ihren Angaben?

Nicolas Frauer: „Alles ist bedeutend, die Gewichtung unterscheidet sich je nach Produzent. Prinzipiell spielt der Boden sicherlich die größte Rolle, vielleicht 40 Prozent Boden, 30 Prozent Mikroklima, 30 Prozent Produzent. Bei bestimmten Produzenten ist die Handschrift aber auch so unverwechselbar, dass sie eher über 50 Prozent der Charakteristik des Produktes ausmacht.“

Joachim Heger: „Die Gewichtung der im Begriff ‚Terroir‘ sich widerspiegelnden Detailthemen würde ich mit je einem Drittel auf Standort, Boden und Kleinklima, auf die Gestaltung und Pflege der Rebanlage und der Rebstöcke im Wechselspiel mit den natürlichen Gegebenheiten und auf die Erhaltung der Traubenqualität und Entwicklung eines speziellen Endproduktes ‚Wein‘ durch subtile Steuerungsmaßnahmen vor dem Hintergrund des über Jahre erworbenen Erfahrungsschatzes vornehmen.“

Peer F. Holm: „1. Boden, 2. Klima und 3. Winzer.“

Stefan Lang: „33 Prozent Boden, 33 Prozent Klima, 33 Prozent Bearbeitung (also ein gleichwertiges Zusammenspiel dieser Faktoren).“

Rudolf May: „Boden 40 Prozent, Mensch 40 Prozent, Klima 20 Prozent.“

Rakhshan Zhouleh: „Es geht um die Gesamteinwirkungen der Weinlandschafts-DNA aufeinander und deren Entwicklungen. Boden ist nicht wichtiger als Klima usw., sondern die Kombinationen und Dosierungen der Einflüsse im Bezug zum jeweiligen Gebiet sind ausschlaggebend für wahre Identität (= Terroir).“


Halten Sie es für ungünstig, dass es keine einheitliche, allseits anerkannte Definition für „Terroir“ gibt, oder sehen Sie einen Vorteil in der Vielfalt der Meinungen?

Nicolas Frauer: „Es trägt auch zur Bedeutung des Begriffs „Terroir“ bei, dass es dazu so mannigfaltige Meinungen und Aussagen gibt. Ich sehe das positiv.“

Joachim Heger: „Die eventuelle Suche nach einer vielleicht möglichen einheitlichen Definition für den Begriff „Terroir“ entspringt der für Deutsche typischen Suche nach Objektivierung, Versachlichung, Reproduzierbarkeit. Der Begriff ‚Terroir‘ widerspiegelt dagegen eher die romanische Art des Gestaltens, die der Emotion auch in der Arbeit ihren Raum lässt und speziell im Weinbau natürlich auch der Erfahrung Rechnung trägt, dass für jeden Weinbauern und Weinmacher jedes Jahr wieder eine neue Herausforderung mit einigen, manchmal auch vielen Unbekannten darstellt.“

Peer F. Holm: „Wenn man alles genau definiert, geht auch ein Stück Vielfalt und Individualität verloren, die ja gerade die Weinwelt so schön bunt macht. Weinliebhaber schätzen es sehr, sich möglichst intensiv über ihre Weinvorlieben auszutauschen. Dazu gehört auch der intensive Schlagabtausch, was eigentlich genau unter ‚Terroir‘ oder ‚Mineralität‘ etc. zu verstehen ist. Zugegeben: Wir Deutschen lieben es, Dinge zu präzisieren und bis ins Detail sauber zu definieren. Wein ist aber anders als ein Auto oder eine Maschine; er ist ein Naturprodukt, dessen Güte von vielen, nicht von uns Menschen beeinflussbaren Faktoren abhängt. Und genau das macht die Magie des Weines für mich aus.“

Stefan Lang: „Eine einheitliche Definition von ‚Terroir‘ wäre sinnvoll und sollte eben die Summe aller genannten Faktoren beinhalten (Terroir wird gerne nur als ‚Boden‘ alleine gesehen).“

Ernst F. Loosen: „Das Terroir besteht nun einmal aus einer Vielfalt von verschiedenen Faktoren: Mikroklima, Drainagen, Humusanteil, Mikroorganismen, sodass es hier schwierig ist, eine allgemein gültige Definition für ‚Terroir‘ zu finden.“

Bärbel Ring: „Der Begriff ‚Terroir‘ beinhaltet verschiedene Unterbegriffe, das ist ein Vorteil.“

Maximilian Wilm: „Terroir lebt von seiner Vielfalt. Eine einheitliche Definition ist, glaube ich, nicht möglich. Für jeden Sommelier bzw. Weintrinker gibt es unterschiedliche Faktoren, welche zum Terroir beitragen.“

Rakhshan Zhouleh: „Terroir ist wie ein Stück Musik von einem Komponisten, der die Musikliebhaber erreicht und begeistert. Diese Wirkung ist mehr als ein Name: ein einmaliges sensorisches Gefühl, das mit Authentizität und Wiedererkennbarkeit verbunden ist.“


Gibt es Aspekte bzw. Unterbegriffe, die gemeinhin nicht zum „Terroir“ gerechnet werden, die Sie aber selbst als zugehörig betrachten?

Nicolas Frauer: „Alle Aspekte, die zur Unverwechselbarkeit des Produktes beitragen, haben auch eine gewisse Terroir-verstärkende Wirkung. Ich würde sie jedoch nicht als dafür notwendig erachten. Solange Weine ohne echten Herkunftscharakter in derselben Flasche landen, wie High-End Produkte mit besonderer Herkunftstreue, leidet beispielsweise die Bedeutung des Bocksbeutels als Terroir-verstärkendes Instrument.“

Ernst F. Loosen: „Meiner Meinung nach gehören das Winemaking, das Gebinde, in dem der Wein ausgebaut wird (Edelstahl, Holz, Beton) und die Technik, die zur Weinbereitung genutzt wird, nicht zum ‚Terroir‘. Allerdings ist es wichtig, um das Terroir aus den verschiedenen Lagen zu erkennen, dass – wie in unserem Fall – alle Großen Gewächse mit den gleichen Bedingungen ausgebaut werden. So zum Beispiel werden alle GGs von uns nur aus 100% gesunden Trauben produziert, zwischen 12 und 12.5 prozentigen-vol Alkohol geerntet, erfahren die gleiche Pressmethode, werden alle mit natürlichen Hefen in Holzfässern vergoren, bleiben alle 12 Monate auf der Vollhefe liegen und wir streben eine Analyse für alle GGs von 7 gr Restzucker und 7 gr Säure an. Dadurch, dass hier alle Parameter möglichst gleich gehalten werden, kann der Unterschied zwischen diesen Weinen eigentlich nur der Lagenunterschied oder das ‚Terroir‘ sein.“

Maximilian Wilm: „Tradition sollte man beim Terroir immer mit einbeziehen. Der Bocksbeutel ist ein gutes Beispiel. Genauso wie die Reifung unter Florhefe im Jura. Tradition und Geschichte gehört für mich auch zum Terroir.“

Rakhshan Zhouleh: „Terroir gab es immer und hatte eigentlich mit Ursprünglichkeit und Bescheidenheit zu tun. Aber Terroir gehört mittlerweile auch zu Luxusgütern: ein Inhalt, beschmückt mit unverwechselbarer Kleidung oder Marketinggesichtern zur Wiedererkennbarkeit. Identifikation mit allen Details der Herkunft ist Terroir. Salzburg ohne Mozart ist kein Salzburg. Venedig ohne Wasser ist kein Venedig. Ägypten ohne Pyramiden ist kein Ägypten. Tirol ohne Berge ist kein Tirol.“


Gegebenenfalls weitere, zusätzliche Anmerkungen?

Nicolas Frauer: „Das Terroir ist unsere große Chance, Weinen eine eigene Identität zu verpassen, sie als Botschafter ihrer Herkunft zu sehen und zu verstehen und uns damit klar von Massenprodukten aus industrieller Herstellung und belanglosen Weinen ohne eigene Philosophie, Charakter und Individualität abzugrenzen. Damit hat das Terroir und seine Umsetzung enormen Stellenwert für uns. Die besten Herkünfte erhalten mehr Gewicht am Markt und für die Kunden. Das freut uns sehr.“

Rudolf May: „Bei diesem Thema rennt man bei mir offene Türen ein. Es liegt mir sehr am Herzen. Es ist die größte Aufgabe für einen Winzer, sein ‚Terroir‘ im Wein widerzuspiegeln. Jeder Eingriff (ob Weinbau durch Einsatz von systemischen Pflanzenschutzmitteln oder im Keller durch z. B. Enzyme, Schönungsmittel, Reinzuchthefen) sollte überdacht sein, denn dadurch wird die natürliche DNA vermindert. Mir tut es in der Seele weh, dass heute immer noch bei den weiterbildenden Schulen die Winzer gelernt bekommen, wie man möglichst sein Terroir verwischt und gefällige oder Mainstreamweine kreiert.“

Maximilian Wilm: „Für mich ist Terroir ein sehr überbewerteter Begriff. Bitte nicht falsch verstehen. Herkunft ist sehr wichtig. Aber die persönliche Handschrift eines Winzers ist genauso wichtig. Jeder Winzer hat eine andere Idee, wie sein Wein schmecken muss. Und das ist auch gut so. Sonst würde zum Beispiel jeder fränkische Silvaner gleich schmecken. Einem Koch wird auch nicht vorgehalten, wie er kocht, sondern es wird als sein persönlicher Stil erachtet und so sollte es auch mit den Winzern sein.“


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