Es verwundert nicht, dass man sich vor allem auch in Frankreich bereits seit Längerem (wieder) Gedanken über eine eindeutige Definition des Begriffs Terroir macht – und zumindest auf der Ebene der OIV (Organisation Internationale de la Vigne et du Vin) zu einem Ergebnis gelangte, beschlossen am 25. Juni 2010 in Georgien („Resolution OIV/VITI 333/2010“).
DEUTSCHLAND (Würzburg) – „Terroir“ (franz. terroir m. ‚Gegend‘, von lat. terra ‚Erde‘ bzw. territorium ‚geografisch abgegrenztes Gebiet‘ oder ‚zu einer Stadt gehöriger, bewirtschafteter Bezirk‘) ist ein aus Frankreich stammender Begriff aus dem Agrarbereich (im Alt-Okzitanischen noch als „terridor“ bezeichnet), von dem es – wie bereits in Teil-1 dargelegt – keine eindeutige deutsche Übersetzung des dahinter stehenden Grundgedankens gibt. Je nach Interpretation beschreibt Terroir die naturgegebenen Faktoren (Standortfaktoren) eines bestimmten Stücks Land, welche die Eigenschaften der dort angebauten Kulturpflanzen beeinflussen. Diese werden bestimmt vom Zusammenspiel zwischen der kulturprägenden Tätigkeit des Menschen und den Bedingungen der Natur wie (Mikro-)Klima, Geologie, Gelände und Bodenbeschaffenheit. Der Begriff beurteilt somit weitgehend den Charakter, die Eigenheit und den Wert, der einem bestimmten Gebiet und seinen agrikulturellen Erzeugnissen zugeschrieben wird.
Erstmalig wird der Begriff wohl von französischen Benediktiner-Mönchen im 6. Jahrhundert verwendet. Bedenkt man, dass im Mittelalter Wein teilweise als Zahlungsmittel oder wenigstens als Tauschobjekt galt, liegt der Gedanke nahe, dass es ganz konkret um eine Wertstellung ging, um eine Manifestation der Qualität des eigenen Weins – vergleichbar etwa mit der reglementierten Einführung des Bocksbeutels in Franken als Garant für guten Wein.
So verwundert es nicht, dass man sich vor allem auch in Frankreich bereits seit Längerem (wieder) Gedanken über eine eindeutige Definition dieses Begriffs macht – und zumindest auf der Ebene der OIV (Organisation Internationale de la Vigne et du Vin) zu einem Ergebnis gelangte, beschlossen am 25. Juni 2010 in Georgien („Resolution OIV/VITI 333/2010“). In dieser Definition heißt es nach diversen Vorbemerkungen bezüglich der Hintergründe bzw. Notwendigkeit des Beschlusses konkret in der deutschen Variante: „Ein Weinbauterroir ist ein gebietsbezogenes Konzept, wobei für das jeweilige Gebiet kollektive Kenntnisse der Wechselwirkungen zwischen identifizierbaren physikalischen und biologischen Faktoren und den dort angewandten weinbaulichen Verfahren gewonnen werden, die den Produkten dieses Gebiets ihre Einzigartigkeit geben. Das ‚Terroir‘ umfasst spezifische Eigenschaften des Bodens, der Topografie, des Klimas, der Landschaft und der biologischen Vielfalt.“
Diese Definition überrascht nicht durch die Auflistung der Kriterien, die für eine Klärung des Worts entscheidend sind, sondern eher durch das Fehlen eines Aspekts, der ansonsten in diesem Zusammenhang häufig genannt wird: der menschliche Faktor.
Regina Vanderlinde, Präsidentin dieser Organisation, erklärte diesbezüglich 2019 auf einem Forum in China zum Thema „Terroir, die Idee der OIV“, das Terroir sei für Qualitätsweine wesentlich wichtiger als alles andere und sei unveränderlich. Sie ergänzte: „Mit der Weiterentwicklung von Technologien wird dieser Begriff zunehmend mehr Aspekte umfassen als Boden, Klima und Geographie.“

Bordeaux und Burgund – die renommiertesten „Terroirs“ der Welt?
Weniger wissenschaftlich, eher literarisch liest sich die Antwort der Cité du Vin, dem bekannten Weinmuseum in Bordeaux, in Bezug auf unsere Frage, wie man dort die Idee des Terroir einschätze. Hier wird der Begriff mit „Identität“, „Eindruck“ und „Persönlichkeit“ des Weins in Verbindung gebracht. Es sei das Terroir, welches das organoleptische Profil des Weins definiere und das sich aus Oberflächenstruktur, Klima, Relief, Rebenvarietät, dem Untergrund und dem Vermögen des Winzers zusammensetze – hier also ein eindeutiger Verweis auf den menschlichen Einflussfaktor. Interessant auch die Anmerkung, es seien vor allem die Weine aus dem Burgund, dem Elsass sowie von der Loire, die imstande seien, die jeweiligen „typicités“ auszuweisen und das Terroir selbst zu „interpretieren“.
Überhaupt scheint es zielführend, sich näher vor allem auch mit Weinen aus dem Burgund auseinanderzusetzen, will man dem Begriff näherkommen. Jean-François Bazin, ehemaliger Präsident des Conseil régional de Bourgogne und anerkannter Historiker, schreibt in seinem 2003 veröffentlichten Buch über die Geschichte der burgundischen Weine, es sei unter anderem die Einheit des Ortes („unité de lieu“), die das Terroir bestimme: In einer häufig sehr kleinen Parzelle, die über ein eigenes Klima verfüge, würden weitere spezifische Charakteristika prägend sein, unter anderem der Untergrund (frz. sous-sol), die Oberfläche (frz. sol), der Wind, der Frost, die Sonne, das Wasser sowie die Geschichte (der Lage). Dies erkläre auch (zumindest für das Burgund), warum jedes Terroir dort seinen eigenen Namen trage und dies bereits seit Jahrhunderten, wenngleich häufig in unterschiedlichen Schreibweisen (vgl. 1252 Mont Rachaz, 1286 Mont Raschat, 1380 Mont Rachat, 1473 Montrachat, heutzutage Montrachet).
Zu diesem spezifischen Terroir wiederum finden wir aus dem Jahr 1728 eine Notiz des Abbé Claude Arnoux, der konstatiert: „Montrachet verfüge über eine individuelle ‚Erdader‘, die der Gegend seine ganz besondere Art verleihe (Le Montrachet est „un petit terroir en possession d’une veine de terre qui rend son terrain unique dans son espèce.’)“.
Dieses ursprüngliche Alleinstellungsmerkmal des Burgund wurde aufgrund seines Erfolgs für Werbung sowie Abgrenzung in der Folge auch von weiteren französischen Regionen aufgegriffen und gilt zwischenzeitlich als Qualitätsbezeichnung im gesamten Land inklusive entsprechender Internetpräsenzen (z. B. „Beaumes-de-Venise: Terroir aux deux visages“ zur Legitimierung weiterer hervorragender Weine neben den Muscat-Weinen, „Terroirs en fête“ auf Facebook, wo Veranstaltungen angekündigt werden, oder „Terroir-France“ mit entsprechendem Definitionsversuch) und Verlautbarungen („Et oui le Languedoc a bien des terroirs d’exception.“, Les Vins AOC du Languedoc).

Aktuelle Entwicklungen in Frankreich
Weinmessen und vergleichbare Veranstaltungen greifen die Idee ebenfalls zunehmend auf („Buvons Terroirs“, 27. April 2020 in Paris), wobei sogar das altehrwürdige Bordeaux zwischenzeitlich dieser Idee huldigt, beispielsweise im Rahmen eines Seminars „Terroir und Weinberg-Management“ im März 2015. Damals betonte Kees van Leeuwen, Professor für Weinbau an der Bordeaux Sciences Agro, die Rolle des menschlichen Faktors für das Terroir in zweifacher Hinsicht: Einerseits sei harte Arbeit eines Winzers erforderlich, andererseits die Bereitschaft von Kunden, den (höheren) Preis für Terroirweine zu zahlen, um dieser Philosophie huldigen zu können. Interessant ist dabei seine These, der Begriff „Terroir“ hänge auch mit dem Reifedatum der Trauben zusammen, in der nördlichen Hemisphäre also mit dem Zeitraum zwischen dem 10. September und dem 10. Oktober – ein Kriterium, das sich in Zeiten des Klimawandels kaum mehr aufrechterhalten lässt.
Wie sehr „Terroir“ auch heute noch in Frankreich geeignet ist, die Gemüter zu erhitzen, bewies unlängst der Versuch des „Institut National des Appellations d’Origine (INAO)“, im Burgund neue Klassifizierungen durchzusetzen. Nachdem man hatte feststellen müssen, dass die Produzenten von Qualitätswein ein herausragendes Interesse daran haben, die charakteristischen Lage-Gegebenheiten (resultierend aus der Kombination von Klima, Boden, Gestein, Rebsorte und Reberziehung) mehr in den Mittelpunkt zu stellen als sogar die Marke bzw. den Namen des Weinguts an sich, zog das INAO seine Pläne wieder zurück: Offensichtlich gibt es kaum eine Weinregion, in der mehr auf das Phänomen „Terroir“ geachtet wird als im Burgundischen.
Doch auch das Elsass ist hier auf einem vergleichbaren Weg: Unter der Überschrift „En avant les terroirs“ berichtete die Zeitung „Dernières Nouvelles d’Alsace (DNA)“ am 15. Februar 2020 über eine Verkostung, bei der man erstmalig eine neue Kategorie „Terroir“ eingeführt habe – mit der Konsequenz, dass die Anzahl der angestellten Weine sprunghaft angestiegen sei. 42 Prozent aller Weine hätten sich nunmehr allein in dieser Kategorie um eine Prämierung bemüht. Eric Fargeas, der Geschäftsführer der dortigen Confrérie, merkte an, man wolle nun das Augenmerk auf die „Identität des Terroirs“ richten, auf dem die Weine „geboren“ seien: Es gehe nunmehr um kleine Parzellen mit individuellem Charakter, die imstande seien, Grands Crus zu erzeugen.