Schlammverschmierte Flaschen, gerettet aus überfluteten Weinkellern: Für die Winzer der Weinanbauregion Ahr in Rheinland-Pfalz stehen sie nach den verheerenden Überschwemmungen im Juli für die Hoffnung auf einen Neuanfang.
DEUTSCHLAND (Bad Neuenahr-Ahrweiler) – „Nachdem wir die Flaschen geborgen hatten, mussten wir uns überlegen, was passiert damit – wir können die ja nicht einfach wegwerfen“, sagt die Initiatorin der Initiative „Flutwein“, Linda Kleber, gegenüber der Presse. Die Idee kam ihr, als sie die verschmierten Weinflaschen aus ihrem verwüsteten Restaurant trug – eine nach der anderen. Tausende Flaschen Wein, die in der Region produziert wurden, stehen nun trotz der widrigen Umstände zum Verkauf – so wie sie sind, voller Erde, Schlammspritzer und mit zerrissenen Etiketten – als Symbole der Katastrophe. Es sind wahre Einzelstücke.
Die Einnahmen, nach aktuellem Stand über 2,2 Millionen Euro, „geben uns enorme Hoffnung, der ganzen Winzerschaft, aber auch den Gastronomen“, sagt Peter Kriechel, ein 38-jähriger Winzer und Vorsitzender des lokalen Winzervereins Ahrwein e.V. Er war sofort begeistert von Klebers Idee. Kriechel selbst hatte rund 200.000 Flaschen Wein in seinem Lager, als in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli die Flut kam. „Ich glaube, wir liegen vor einem langen Marathon der uns bevorsteht“, sagt Kriechel. „Wobei Aktionen wie Flutwein uns helfen, uns einen Kickstart zu geben.“
Das Ahrtal ist bekannt für seinen Spätburgunder, deren Reben entlang der steilen Talhänge wachsen. Die regionale Wirtschaft ist angewiesen auf den Weinanbau und die Touristen, die deshalb anreisen. „Ohne Wein gibt es das Ahrtal nicht und bestimmt nicht die Ahrtaler Gastronomie“, sagt Jörg Kleber, der Ehemann von „Flutwein“-Initiatorin Linda Kleber.
Tote, zerstörte Existenzen, Hoffnungen und Hilfen
Insgesamt zerstörte die Flutkatastrophe, bei der 225 Menschen in Europa starben, davon 187 in Deutschland, zwischen fünf und zehn Prozent der Rebfläche im Ahrtal. Paul Schuhmacher gehört zu jenen, die viel verloren haben. „Das war kein normales Hochwasser, das war ein Tsunami“, erzählt der 63-jährige Winzer. Kurz bevor das Wasser bei ihm eindrang, eilte Schuhmacher nach unten, um zu überprüfen, ob die Weinfässer ordentlich verschlossen waren. „Ich bin mit einem riesen Hammer in den Keller gelaufen“, erinnert er sich. Dann flüchtete er mit seiner Frau in eine Wohnung in der ersten Etage seines Wohnhauses, doch das Wasser stand bald über einen Meter hoch. Es blieb nur noch die Flucht aufs Dach, dort harrte das Ehepaar Schuhmacher bis in die frühen Morgenstunden aus. Ein halber Hektar seiner fünf Hektar großen Anbaufläche ist zerstört. Das Erdgeschoss seines Hauses, wo sich auch seine Straußwirtschaft befand, ist noch überzogen mit einer Schicht aus Schlamm. Trotzdem plant der langjährige Weinbauer fest, auch in diesem Jahr einen Wein zu produzieren.
Ob in Ahrweiler selbst in diesem Jahr Wein hergestellt werden kann, ist noch völlig unklar, doch die Winzer aus den Nachbarregionen haben versprochen, mit der Ernte und Herstellung zu helfen. Angesichts der schlimmsten Naturkatastrophe in Deutschland seit Jahrzehnten hat die Bundesregierung bereits Hilfsgelder in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro bereitgestellt. Das Ahrtal wird trotzdem nie wieder so sein „wie es vorher war“, sagen unisono die Pessimisten. „Es werden ganz viele, was man so hört, wegziehen an der Ahr“, sagt Schuhmacher. „Sie werden ihre Häuser nicht mehr aufbauen.“
Die Klebers machen weiter
Für das Ehepaar Kleber kommt das nicht in Frage, auch wenn von ihrem Restaurant im Zentrum von Ahrweiler nur noch eine Ruine übrig ist. Küche, Bar, Esszimmer, Garten: Nach den Aufräumarbeiten bleibt im „Kleber’s“ nichts mehr übrig, außer die Wände, an denen eine braune Schlammspur die unvorstellbare Höhe markiert, die die Flut erreichte.
„Wir hatte einen guten Sommer gehabt mit Corona und konnten uns ein bisschen was zur Seite schaffen“, sagt Kleber, der von Beruf Koch ist. Zwei Jahre Corona waren aber „nichts“ gegen eine Stunde Hochwasser. Trotz allem wird es ein neues „Kleber’s“ geben, verspricht der Chef. „Wir haben hier unsere Freunde, unser Leben“ und nach der Katastrophe seien sie nur noch verwurzelter geworden. Von hier wegziehen werden sie also „jetzt erst recht nicht“.
Mit dem Kauf eines Flutweins und/oder eine Spende wird den betroffenen Ahrwinzern geholfen. Mehr zum Thema auf: www.flutwein.de