Sie wollen nicht mehr, sie steigen aus Protest aus: Im französischen Sommer 2021 haben sich die Premier Grand Cru Classé A klassifiziertené Châteaux Cheval Blanc und Ausone aus dem Saint-Émillon-Ranking (Classement de Saint-Émilion) verabschiedet. Anfang dieses Jahres zog das ebenso klassifizierte Château Angelus nach und verabschiedete sich ebenfalls aus der renommierten Einstufung Saint-Émilion. Derzeit bleibt von den ursprünglich vier Spitzenweingütern nur noch Château Pavie, ebenso ein Premier Grand Cru Classé A (A = Spitzenklasse), der Klassifizierung erhalten. Reine Premier Grand Cru Classé (ohne A) sind die Châteaux Beau-Séjour, Beau-Séjour-Bécot, Bél Air-Monange, Canon, Canon la Gaffelière, Figeac, Clos Fourtet, La Gaffelière, Larcis Ducasse, La Mondotte, Pavie Macquin, Troplong Mondot, Trottevieille und Trottevieille, die nun die Klassifikation anführen.
FRANKREICH (Bordeaux) – Château Angélus verlässt die Saint-Émillon-Klassifikation und erklärte auf Nachfrage, dass die Klassifizierung zwar lange Zeit ein „wunderbares kollektives Motivationsinstrument“ gewesen sei, dass aber die damit verbundenen Aktionen nicht berücksichtigter Châteaux „zahlreiche Kritiken“ hervorgerufen und die Klassifizierung zur Zielscheibe eines „Systems der Verunglimpfung“ gemacht hätten, was zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten geführt habe. Seit 2006 und dann gefolgt seit 2012 sind Gerichtsverfahren anhängig, von denen einige noch andauern.
Bezüglich seines Austritts verwies Angélus auch auf das jüngste Gerichtsurteil mit dem Hubert de Boüard de Laforest, Miteigentümer von Château Angélus sowie auch Philippe Casteja, Miteigentümer von Château Trotte Vieille, nach einem mehr als zehnjährigen Verfahren wegen „angeblicher“ Beeinflussung der Bewerbung zur Saint-Émillon-Klassifizierung zu einer Geldstrafe verurteilt wurden. Die Vorwürfe, initiiert von drei Saint-Émillom-Châteaux, die ihren Status verloren hatten, seien „haltlos“ sagt Angélus.
Die andauernden Querelen und Vorwürfe habe Angélus in seiner Entscheidung bestärkt, sich aus „einem Verfahren zurückzuziehen, dessen Tragfähigkeit nicht gesichert erscheint und dessen Vorteile die Risiken ungerechter Angriffe nicht aufwiegen würden“. Die Klassifizierung von Saint-Émilion, die einst von den Châteaux als „fortschrittlich“ und willkommenes „Instrument“ für Ansehen und Marketing betrachtet wurde, ist nach Ansicht von Angélus zu einem „Vehikel für Feindschaft und Instabilität“ geworden. In einer Pressemeldung von Angélus heißt es: „Angélus bedauert diesen schädlichen Zwist, nimmt ihn zur Kenntnis und verlässt das System, indem es sich aus der Klassifizierung 2022 zurückzieht“.
Das Ausscheiden von Angélus aus der Saint-Émillon-Klassifizierung ist ein weiterer und möglicherweise entscheidender Schlag für das etablierte Ranking-System, das in den letzten zehn Jahren einige Kontroversen erlebt hat. Trotz der Querelen um die Teilnahme am renommierten Ranking habe das Klassifizierungssystem „viel dazu beigetragen“, die Wahrnehmung, die Beliebtheit und das Prestige der Weine von St-Emilion zu steigern, räumt Angélus ein. In der Tat führte das Ranking dazu, Investitionen in der Region zu erhöhen und einen gesunden Wettbewerb zwischen den Weingütern zu fördern mit dem gemeinsamen Ziel, die Qualität der Weine zu verbessern.
Zu wenig Fokus auf Terroir, zu kurzer Zeitrahmen, fehlende Wiedererkennung
Die beiden bereits im Sommer 2021 ausgetretenen Châteaux Cheval Blanc und Ausone begründeten ihren Schritt unisono mit Unzufriedenheit in Bezug zu den Bewertungskriterien. Beide Châteaux waren seit Start des Rankings in 1954 als Premiers Grands Crus Classés A und damit in der höchsten Kategorie der Saint-Émillon-Klassifizierung eingestuft. Die einschlägige Weinpresse zitierte Pierre Lurton und Pierre-Olivier Clouet, Direktor und technischer Direktor von Cheval Blanc, bei der Bekanntgabe des Austritts: „Es war für uns eine sehr schwere Entscheidung. Ausschlaggebend war, dass wir uns in der Klassifizierung nicht wiederfinden. Das Raster der Bewertung ist zu schwach, also zu weit entfernt von dem, was die Qualität unserer Weine ausmacht.“
Ähnlich argumentierte Pauline Vauthier, Leiterin von Château Ausone. Sie wird zitiert: „Gerade Terroir und Verkostung erhalten bei der Saint-Émillon-Klassifizierung nicht genügend Aufmerksamkeit, was für unsere Weine zentral ist. Außerdem fließen nur Weine der letzten fünfzehn Jahre in die Bewertung ein, was unseren und auch den Weinen anderer Top-Château nicht gerecht wird. Wir sind der Meinung, dass große Weine über einen längeren Zeitraum betrachtet und bewertet werden sollten. Unsere Familie hat mit der Entscheidung, das Ranking zu verlassen, lange gerungen – es war auch ein schmerzlicher Prozess.“
Bemerkenswert ist, dass die Austritte der drei renommierten Châteaux auf der Webseite „Vins De Bordeaux“ bis heute noch nicht korrigiert ist. Und auf der Webseite „Les Vins de Saint-Émillon“ sind die Châteaux Angélus und Cheval Blanc noch als Premier Grand Cru Classé A verzeichnet.
Weitere Stimmen zum angeschlagenen Ranking aus verschiedenen Medien (Zitate)
„Aus kollektiver Sicht bedauern wir die Entscheidung von Angélus. Das Ranking muss aber wie geplant fortgesetzt werden. Es ist unsere Aufgabe, in die Zukunft zu blicken und die wichtige Arbeit der INAO zu respektieren, damit die Klassifizierung als ein hervorragendes Instrument Bestand hat“, wird Jean-François Galhaud, Präsident des Weinrates von St-Emilion zitiert.
„Der Schritt von Château Angélus, dass die Rankings über Jahrzehnte sowohl unterstützte als auch davon profitierte, war ein Schock. Das kann unmöglich gut für die Appellation sein, weil diese Aktion nun viele Fragen aufwirft. Ich verweise auf die relativ harmonische Appellation Pomerol, die überhaupt keine Rangliste hat. Hier gibt es keine derartigen Streitigkeiten oder sogar Schuldzuweisungen. Das könnte eine Blaupause für Saint-Émilion sein“, wird Philippe Faniest, Eigentümer von Château Rochebelle, gehörend zur Grand Cru Classé von St-Emilion, zitiert.
„Wenn andere diesem Beispiel folgen, könnte dies das Ende der Klassifizierung sein“, wird Matthieu Cuvelier, Inhaber des Premier Grand Cru Classé Clos Fourtet, zitiert.
„Die Saint-Émillon-Klassifizierung bleibt nach wie vor nützlich und gibt der gesamten Appellation Auftrieb. Das über Jahrzehnte angepasste Ranking zwingt uns dennoch zum Nachdenken, zur Verbesserung unserer Praktiken im Keller wie im Weinberg. Wir müssen unsere Arbeit laufend hinterfragen, damit wir alle profitieren“, wird Blandine de Brier Manoncourt, Miteigentümerin des Premier Grand Cru Classé Château Figeac, zitiert.
„Nun fangen die Spekulationen an wie es mit der Klassifizierung weitergeht. Mein Vorschlag wäre, zur 1er Cru Classé und Grand Cru Classé zurückzukehren. Die Bezeichnungen A und B, letztere wurde bereits gestrichen, verwirren die Verbraucher nur. Und wenn man Güter wie beispielsweise Figeac nun in A einordnet, sieht es so aus, als würde man die ersetzen, die weggegangen sind, und das ist nicht gut“, wird Gavin Quinney, Eigentümer von Château Bauduc (Bordeaux AOC), der die jährlichen Ernteberichte für Bordeaux verfasst, zitiert.
Fazit
Die Saint-Émillon-Klassifizierung, die alle zehn Jahre erneuert beziehungsweise ergänzt wird, steht nunmehr geschwächt im Fokus von Handel und Konsumenten. Zweifellos häufen sich nun Fragen zu den Auswirkungen auf die verbleibenden Châteaux, die im Ranking stehen oder auf die, die sich um eine Aufnahme bemühen. Bemerkenswert ist, dass die INAO nach Bekanntwerden der Austritte mehr Vorschläge an Kandidaten für 2022 erhalten hat, als dies in 2012 der Fall war. Abzuwarten bleibt, wie die Verantwortlichen der Klassifizierung nun vorgehen werden, um weiterhin glaubhaft zu bleiben, um einerseits die Weine von Saint-Émilion als auch andererseits das Werbeinstrument Saint-Émillon-Klassifizierung zu schützen, respektive wieder Anerkennung zu verleihen. Eines ist klar, die Klassifikation bestimmt den Preis der Weine – was letztlich für viele Güter, die nicht wie die renommierten Châteaux auch ohne Ranking wirtschaftlich auskommen, entscheidend ist.