Der visionäre Leiter und Patriarch des historischen piemonteser Weinhandels und Weingutes Pio Cesare verstarb am vergangenen Wochenende nach zweiwöchigem Kampf gegen Covid-19. Er wurde 66 Jahre alt. Seit Anfang April wurde er im Krankenhaus behandelt. Kurz vor seinem Tod zeigte sich seine Familie noch zuversichtlich und erwartete seine baldigen Genesung.
ITALIEN (Alba) – In der bekannten Weinstadt Alba im südlichen Piemont war man geschockt von der Nachricht, Trauer breitete sich am vergangenen Wochenende bei der Familie, bei Freunden und in der Weinszene auch außerhalb Italiens aus. Boffas Tod kam nach mehreren Lockdowns in Italien, während derer er sich wegen des Reiseverbots aufregte, weil er seine Kunden nicht besuchen konnte. „Er war wie ein Löwe in einem Käfig. Er war wirklich verärgert darüber, dass er im Büro bleiben musste. Er war es gewohnt, 200 Tage im Jahr zu reisen. Das war sein Leben.“, beschreibt seine Tochter und einziges Kind, Federica (23), die Situation.
Pio Boffa war eine auratische Persönlichkeit und hochgeachtet im Barolo. Als Winzer in vierter Generation verbrachte Boffa vier Jahrzehnte damit, Pio Cesare von einem einstig florierendem Weinhandel zu einem High-End-Weingut zu formen. Als unermüdlicher Botschafter für piemontesische Weine war er weltweit unterwegs. Pio Boffa war auch einer der ersten aus dem Piemont, der seine Weine in den 1980igern erst nach Deutschland, dann in den USA und Kanada promotete. Stets vertrat er die Ansicht, dass sein Barolo Pio eine Cuvée aus verschiedenen Lagen des gesamten Gebiets bleiben soll, andererseits lancierte er mit seinem Ornato einen der ersten Barolo aus einer Einzellage.
Der geachtete Patriarch verstarb nur knapp zwei Monate vor der Veröffentlichung von zwei limitierten Abfüllungen zum 140-jährigen Jubiläum des Weingutes. Die Lancierung seines Barolo Riserva 2000 und ein 2017er Cuvée aus Trauben, stammend von vier Weinbergen in Serralunga d’Alba, wird Frederica betreuen, die nun die Geschäfte mit Hilfe ihres Cousins, Cesare Benvenuto (47), ab jetzt in fünfter Generation übernehmen wird. Rund 360.000 Flaschen produziert Pio Cesare, aufgeteilt auf 12 Weine mit mittlerer bis kleiner Produktionsmenge. Rund 80 Prozent davon gehen in den Export.
Gründung und Werdegang
Das Weingut gründete Cesare Pio, Urgroßvater mütterlicherseits von Pio Boffa, im Jahr 1881. Damals begann die Geschichte des Gutes in einem alten Keller im Zentrum von Alba. Es dauerte nicht lange und erste Auszeichnungen für Cesares Weine machten das Gut in der Region bekannt. Weitere Medaillen bei internationalen Wettbewerben trugen zur internationalen Bekanntheit ebenso bei wie die bis heute unerschütterliche Philosophie von Pio Cesare: Qualität steht stets über Quantität.
Pio Boffa wurde 1954 in Alba geboren. Seine zwei Geschwister hatten kein Interesse am Familienbetrieb, bei ihm war das anders. Ihn trieb es sofort nach seinem Schulabschluss nach Kalifornien ins Napa Valley, wo er bei der Robert Mondavi Winery Weinbau und Vinifikation lernte. In den 1970er Jahren wieder zurück im Piemont begann er ein BWL-Studium, das er nicht vollendete, weil es ihn in den Familienbetrieb zog. Er wollte unbedingt das Geschäft erkunden, das sein Vater Giuseppe damals führte. Sein starker Wille und Tatkraft überzeugten. Daraufhin entschloss sich die Familie, ihre Rebanlagen zu erweitern.
Im Laufe des nächsten Jahrzehnts übernahm Boffa den Familienbetrieb und richtete erste Einzellagen ein. Außerdem überzeugte er den Vater, eine Anlage mit Chardonnay zu kultivieren. Aus diesem Antrieb entstanden in der Folge der 1985er Ornato Barolo und Langhe Piodilei Chardonnay, gefolgt von Barbaresco Il Bricco im Jahr 1990.
In 2014 feierte Boffa seinen 60. Geburtstag und beschenkte sich selbst mit rund 25 Hektar alten Weinparzellen, die im Zeitraum 1940 bis 1960 in Monforte d’Albas Mosconi (DOCG) kultiviert wurden. Trauben von hier bildeten die Basis für die Lagenweine Barolo Mosconi (erster Jahrgang 2015) und Fides Barbera d’Alba Superiore „Vigna Mosconi“ (ab 2017).
Statement für die Barolo-Region
In den italienischen Gazetten wurde Boffa noch kurz vor der Pandemie zitiert: „Es ging mir nie darum zu behaupten, dass Abfüllungen aus Einzellagen besser seien als der klassische Barolo. Nach wie vor steht unsere Philosophie für Blends aus Einzellagen gegenüber eines Lagenweins. Die Weine aus Einzellagen mögen brilliant und vorzüglich sein, aber dennoch steht unser Betrieb für den Ausdruck der Einzigartigkeit und Außergewöhnlichkeit der gesamten Barolo-Region.“
Trotz seiner Liebe zur Region war Boffa offen für Innovationen. Blends aus Pinot Noir und Nebbiolo waren für ihn trotz seines Traditionsbewusstseins ein gangbarer Weg. Sein letztes Projekt mit Unterstützung seiner Tochter und seines Neffen war die Wiederbelegung der schon lange aufgegebenen Familientradition bezüglich der Herstellung eines mit Kräutern aromatisierten Weins auf Basis des Barolo, genannt Barolo Chinato.