NEWSNew Wave Wine – Ein Blick in die Weinzukunft Europas

New Wave Wine – Ein Blick in die Weinzukunft Europas

Bücher zum Thema Wein sind inzwischen seltener geworden. Die Verlage scheuen wohl gerade in diesen Zeiten das Risiko diesbezügliche Werke auf den Markt zu bringen. Da ist es besonders lobenswert, dass der Frankfurter Westend-Verlag diesem Trend nicht folgt und spannende, äußerst informative Bände zum Thema herausgibt.


Im Jahr 2020 war es das fundamentale Buch von Romana Eschenssperger: „Von der Freiheit, den richtigen Wein zu machen“, das aufhorchen ließ. Fasziniert von der biodynamischen Wirtschaftsweise und von leidenschaftlichen Winzern machte sich die Sommeliere und Master of Wine auf den Weg zu 12 Spitzenweingütern. Ein Jahr lang begleitete sie die Winzer bei der Arbeit und entlockte ihnen die Geheimnisse des Handwerks. Herausgekommen ist eine informative Analyse über die Biodynamie im Weinbau.

Kürzlich ist ein weiteres Weinbuch des Verlags erschienen mit dem Thema Weinwelten abseits des Mainstream. In ihrem Buch „New Wine Wave – Europas Winzer für die Zukunft“ stellen die beiden Autoren Janek Schumann und Wolfgang Staudt den Lesern und Weinenthusiasten 101 (!) aufstrebende und innovative Winzer (-innen) und Weingüter vor.

Ihre Recherchereise führte die beiden fast ein Jahr lang auch nach Osteuropa – über die Slowakei nach Ungarn, Kroatien und Slowenien. Allesamt Regionen, die hierzulande noch vergleichsweise wenig Beachtung finden – zu Unrecht, wie die Weinkenner meinen. Zusätzlich sind auch Winzer aus Rumänien und Bulgarien im Buch aufgeführt.

Die Autoren haben herausgefunden, dass sich vor dem Hintergrund einer polarisierenden Weinwelt in Europa eine kreative und innovative Bewegung etabliert. Abseits von Mainstream und Hyperindustrialisierung und frei von Konventionen und Dogmen sei es einer neuen Generation von Winzern gelungen, einen bunten Kosmos zu formen, getragen vom Grundsatz der Eigenständigkeit und geschmacklicher Diversität. 

Respekt im Umgang mit der Natur, ein neues Verständnis von Tradition und Kultur sowie ein interventionsarmer und Ressourcen schonender Produktionsprozess seien wesentliche Aspekte und Triebkräfte dieser Winzer.

Neben besonderen Schlüsselerlebnissen, Background und Werdegang der verschiedenen Winzer (-innen) werden Betriebsphilosophie, die Arbeit im Weinberg und im Keller sowie das sensorische Profil und die Stilistik der Weine hervorgehoben. Zu jedem Produzenten gibt es eine Fakten-Box mit den wichtigsten betriebsspezifischen Daten sowie Kontakt- und Bezugsadressen.

Nachdem Schumann und Staudt monatelang in ganz Europa unterwegs waren, um jene Winzerinnen und Winzer zu treffen, die nach Alternativen zur standardisierten und industriell geprägten Weinproduktion suchen, sind sie überzeugt: Von Tag zu Tag wird die Community größer, die mit Respekt vor der Natur, dem kulturellen Erbe und den handwerklichen Traditionen von Generationen handeln, um authentischere, natürlichere Weine zu produzieren, die die Besonderheiten ihrer Herkunft zeigen. Sie sind, wie sie schreiben, wunderbaren Menschen und besonderen Weinen begegnet. Sie haben herausgefunden, wie lebendig, divers und reich an Zwischentönen Europas Weinwelt heute ist.

Am Ende stehen viele persönliche Geschichten. Was motiviert und inspiriert die jungen Winzer? Authentizität und Nachhaltigkeit sind ihnen wichtiger als das schnelle Geld. Sie hinterfragen, erproben neue Denkansätze und Konzepte und erkunden verloren gegangenes Wissen und vergessene Praktiken. Für viele dieser Winzer ist Wein mehr als nur ein Produkt. Für sie ist Wein Ausdruck einer inneren Haltung.

29 Betriebe aus Deutschland finden sich in dem 380-Seiten-Band. Unter der Überschrift „Deutschland nimmt Fahrt auf“ resümieren die Autoren: „Noch nie hat es hierzulande eine junge Winzergeneration gegeben, die so gut ausgebildet und zugleich so divers, weltoffen und interessiert ist wie diejenige, die gerade die Geschicke ihrer Familienbetriebe zu lenken beginnt. Da sind viel Herzblut für das Winzerhandwerk sowie tiefe Demut vor besonderen Terroirs und alten Reben im Spiel.“

Der Anteil biologisch zertifizierter Betriebe ist in Deutschland inzwischen auf über 10 Prozent gestiegen. Erfreulich, aber bei weitem noch nicht genug, heißt es dazu. Positiv bewerten die Autoren, dass alte Verfahren und Techniken immer mehr um sich greifen. Das betrifft etwa die Mazeration weißer Trauben, die Spontangärung, den langen Fassausbau auf der Vollhefe und die ungeschönte und unfiltrierte Abfüllung. Auch lange unterschätzte Varietäten wie – Silvaner, Müller-Thurgau, Scheurebe oder Elbling – würden neu entdeckt. Vielversprechend sei auch, dass viele Winzer für sich beanspruchen, Weine mit Herkunftscharakter zu erzeugen.

Auch Österreich ist im Buch stark vertreten: Insgesamt wurden hier vier verschiedene Weinregionen – Weinviertel, Carnuntum, Neusiedlersee und Steiermark – besucht. „Es war phantastisch zu sehen, mit welch großer Begeisterung und Herzblut, aber auch glasklaren Statements in Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit die Winzer zu Werke gehen“, berichten die Autoren. In unserem Nachbarland tut sich viel, urteilen die Weinexperten. Während die Wachau in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an ihrem internationalen Renommee arbeitete, suchte das Burgenland seine Identität und orientierte sich eher an internationalen Vorbildern. Die Ampel stand vor allem auf Rot und Rebsorten wie Merlot, Cabernet und Syrah liefen dem einheimischen Blaufränkisch den Rang ab. Mittlerweile haben sich die Vorzeichen etwas geändert und eine neue Generation knüpft an die Zeit davor an. Interessant ist insbesondere die Wiederbelebung des weißen Burgenlandes und das Comeback von Rebsorten wie Welschriesling, Neuburger und Furmint. Parallel dazu erreicht Blaufränkisch ungeahnte Höhen und beweist, dass er im Reigen der ganz Großen mitspielen kann.

Fazit: Ein extrem faktenreiches Buch über Wein, das Mut und Freude zugleich macht. Und zwar deshalb, weil eine Winzergeneration heranwächst, die die Zeichen der Zeit erkannt hat und danach handelt.


Janek Schumann/Dr. Wolfgang Staudt: „New Wine Wave“ – Europas Winzer für die Zukunft, 2022, Westend-Verlag, Frankfurt, 380 Seiten, 38 Euro.


Zu den Autoren:

Janek Schumann ist seit 2015 Master of Wine, es ist der weltweit höchste Titel der Weinwelt. Als Lecturer und Consultant ist er für Weingüter und Firmen im mitteleuropäischen Raum tätig. In Freiberg/Sachsen betreibt er eine Weinhandlung und Weinbar. Außerdem arbeitet er als Jury-Mitglied und Verkoster u. a. für den Gault-Millau Weinguide Deutschland.

Dr. Wolfgang Staudt, ist Weinprofi und Dozent. Das weltweit angesehene Diploma Wine & Spirits hat er 2005 mit dem Titel als „Weinakademiker“ abgeschlossen. Seit 1995 ist er selbstständiger Veranstalter von Seminaren, Schulungen und Weinevents. Staudt schreibt für verschiedene Magazine und Tageszeitungen und ist Autor erfolgreicher Weinbücher.

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